Bindungswirkung einer Pflichtteilsstrafklausel

Bindungswirkung einer Pflichtteilsstrafklausel

Eheleute errichten, wenn überhaupt, sehr häufig privatschriftlich ein sogenanntes „Berliner Testament“. Sie setzen dabei den Längstlebenden zum Alleinerben und die Kinder zu ihren Schlusserben nach dem Tod des Längstlebenden ein. Da die Kinder dadurch gleichzeitig beim Tod des ersten Elternteils enterbt sind – sie wären nämlich ansonsten gesetzliche Miterben – steht ihnen ein Pflichtteilanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zu.


Deshalb wird typischerweise das Ehegattentestament um eine sogenannte „Plichtteilsstrafklausel“ ergänzt. In dieser wird das Kind, welches gegen den längstlebenden Elternteil Pflichtteilsansprüche geltend macht, auch bezüglich seines Nachlasses enterbt und auf den Pflichtteil gesetzt. Durch diesen Ausschluss werden die übrigen als Schlusserben eingesetzten Kinder begünstigt, weil deren Erbquote dann entsprechend höher ist. Sie müssen als Erben beim zweiten Erbfall lediglich den Pflichtteil ausbezahlen.


Was oftmals bei einer solchen Gestaltung übersehen wird, ist die vom Gesetz angeordnete Bindung der testamentarischen Verfügungen. Der Längstlebende kann diese nicht mehr einseitig ändern, es sei denn, die Eheleute haben im Testament einen entsprechenden Vorbehalt mit aufgenommen. Für Erbeinsetzungen ist die Rechtslage eindeutig. Gilt diese Bindung aber auch für die Strafklausel ? Darf der Längerlebende in einem neuen Testament von dieser Bestrafung abweichen? Über einen solchen Fall hatte im Jahre 2013 das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden:


Die Witwe hatte die Pflichtteilsstrafklausel, welche in dem ursprünglich im mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichteten Berliner Testament enthalten war, aufgehoben. Grund hierfür war, dass eine gemeinsame schwerbehindere Tochter in einer Pflegeinrichtung lebt und monatliche Sozialhilfeleistungen bezieht. Nach dem Tod des Vaters hatte das Sozialamt wegen der erbrachten Zahlungen den Pflichtteilsanspruch der schwerbehinderten Tochter gepfändet und von der Mutter als Alleinerbin ausbezahlt bekommen. Damit war nach dem Inhalt der Strafklausel auch beim Tod der Mutter der Pflichtteil an das Sozialamt zu zahlen. Dies wollte die Mutter verhindern und errichtete ein sogenanntes „Behindertentestament“. Unter Aufhebung der Strafklausel wurde die behinderte Tochter als beschränkte Vorerbin eingesetzt und Testamentsvollstreckung bezüglich ihres Erbteils angeordnet. Hierdurch wird erreicht, dass das Sozialamt bis zum Tode der Hilfeempfängerin auf das Erbe nicht zugreifen kann. Der Testamentsvollstrecker bezahlt für die Hilfeempfängerin nur solche Dinge, die nicht zu einer Kürzung der Sozialhilfe führen. Dieses neue Testament bezweckte also den Schutz des Familienvermögens und war daher auch im Interesse der weiteren Geschwister, denn sie müssten dann als Erben nicht mehr den Pflichtteil an das Sozialamt zahlen.


Das Oberlandesgericht Hamm ging dennoch von einer Bindung der ursprünglichen Pflichtteilsstrafklausel aus und gab der nach dem Tod der Mutter vom Sozialamt erhobenen Pflichtteilsklage statt. Zur Begründung stellte das Gericht vor allem darauf ab, dass durch den nachträglichen Wegfall der Strafklausel, die behinderte Tochter wieder zur Miterbin wird und sich dadurch die Erbquoten ändern. In einem Berliner Testament angeordnete Erbquoten, wenn auch über den Umweg einer Strafklausel, seien jedoch bindend.


Dieser Fall zeigt, dass sich Eheleute vor Abfassung eines Testaments genau überlegen, besser noch notariell beraten lassen sollten, wie weit die Bindung des Längstlebenden reichen soll.


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