Vorweggenommene Erbfolge

VORWEGGENOMMENE ERBFOLGE

Bei der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich um eine Vermögensübertragung deren Zweck darin besteht, lebzeitig die Erbfolge bezüglich eines bestimmten Vermögensgegenstandes, meisten handelt es sich um ein Hausgrundstück, zu regeln. In der täglichen Praxis werden diesbezügliche Vereinbarungen auch als Übergabeverträge“ oder „Überlassungsverträge “ bezeichnet.

 

Waren bis zur Reform der Erbschaftsteuer im Jahr 2009 vor allen Dingen erbschaftssteuerliche Gründe oftmals Beweggrund für eine Vermögensübertragung auf die nächste Generation, tritt heute mehr und mehr die Vermeidung eines Sozialhilferegresses im Pflegefall in den Vordergrund, also die Befürchtung der Eltern, dass deren schwer erarbeitetes und aus bereits versteuertem Einkommen finanziertes Eigenheim im Pflegefall für Kosten einer durchschnittlichen Heimunterbringung und Pflege aufgebraucht wird, obwohl man jahrzehntelang in die Sozialsysteme einbezahlt hat. Stattdessen möchte man gewährleisten, dass die Kinder oder die Enkel, ohne für Pflegekosten anstelle des Staates einstehen zu müssen, die Immobilie ungeschmälert erhalten. Dies ist unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich.

 

Weiteres Motiv ist vor allem der Wunsch, bereits zu Lebzeiten unter Mitwirkung aller Kinder eine einvernehmliche Aufteilung des künftigen Nachlasses zu sichern. Insbesondere sollen durch bindende Vereinbarungen Geschwisterstreitigkeiten nach dem Tod des längstlebenden Elternteils von vornherein vermieden werden.

Schließlich spielt auch die Versorgung des Übergebers einerseits, die Existenzsicherung des Übernehmers und dessen Familie andererseits, eine nicht unerhebliche Rolle.

 

Der erste Schritt im Rahmen einer notariellen Beratung muss die Klärung der Frage sein, ob überhaupt die Entscheidung, bereits zu Lebzeiten sein wesentliches Vermögen zu übertragen, im konkreten Fall wirklich dem Interesse des Übergebers entspricht oder ob ein Vermögenstransfer an die nächste Generation doch nicht erst „endzeitig“, also mit dem Tode erfolgen soll, was dann im Rahmen einer letztwilligen Verfügung, anstatt in einem Übergabevertrag, zu regeln wäre.

 

Die jeweiligen Vor- und Nachteile sind im Einzelfall abzuwägen.

 

Für eine Übergabe kann die bereits genannte Vermeidung eines Sozialhilferegresses im Pflegefall oder eine Verminderung der Erbschaftsteuer sprechen, ebenso die bereits angesprochene Herstellung eines Einvernehmens zwischen den Geschwistern, insbesondere die Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen und damit auch der Schutz des längstlebenden Elternteils.

 

Wesentliches Argument gegen eine lebzeitige Übergabe, hierüber muss sich jeder potentielle Übergeber im Klaren sein, ist, dass er seine Verfügungsbefugnis über den Vermögensgegenstand verliert. Er kann ihn insbesondere nicht mehr „versilbern“. Um dies in der Beratung klar vor Augen zu führen, verwende ich den Begriff der „Mallorca-Karte“, die nicht mehr gezogen werden kann. Eine Veräußerung der Immobilie, etwa nach dem Tode des Ehepartners, um den Lebensabend in südlichen Gefilden zu finanzieren, ist dann nicht mehr möglich. Es besteht allenfalls die Möglichkeit, einen vorbehaltenen Nießbrauch, soweit vertraglich vereinbart, in eine monatliche Rentenzahlungsverpflichtung des Übernehmers umzuwandeln. Man verliert also mit der Übergabe, auch wenn man aufgrund eines Nießbrauchs „wirtschaftlicher Eigentümer“ bleibt, ein Stück finanzielle Freiheit.

 

Nur derjenige, der entweder nicht darauf angewiesen ist, eine Immobilie im Alter veräußern zu müssen oder aber von vornherein weiß, dass er seinen Wohnsitz von dort niemals mehr verlegen will, für diesen kommt eine vorweggenommene Erbfolge aus den zuvor genannten Gründen überhaupt in Betracht.

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