Dialog Arzt

DIALOG ZWISCHEN BEVOLLMÄCHTIGTEM UND BEHANDELNDEM ARZT

Mit dem im Jahre 2009 in Kraft getretenen Patientenverfügungsgesetz wurden nicht nur erstmals die formalen und inhaltlichen Anforderungen an eine Patientenverfügung (interner link Patientenverfügung) definiert, sondern auch ein Verfahren zur Umsetzung des Patientenwillens vorgegeben, wenn es um die Entscheidung der Nichtvornahme oder Einstellung lebensverlängernder ärztlicher Maßnahmen geht. Grundsätzlich bedarf die Einwilligung des Bevollmächtigten hierzu der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Zuvor darf der behandelnde Arzt eine diesbezügliche Anweisung des Bevollmächtigten nicht befolgen. Gleichwohl sind in der täglichen Praxis solche gerichtlichen Genehmigungen die Ausnahme, denn der Gesetzgeber verzichtet auf eine richterliche Kontrolle, wenn sich der Bevollmächtigte und behandelnder Arzt einig sind, dass die Maßnahme, in die der Bevollmächtigte eingewilligt hat, dem Willen des Patienten entspricht. Dem behandelnden Arzt wird quasi die Kontrollfunktion eines Richters übertragen. Hierbei haben die Beteiligten sich jedoch strikt an das vom Gesetz vorgegebene Verfahren zu halten, ansonsten riskieren sie, sich strafbar zu machen. Zunächst stellt der behandelnde Arzt die Diagnose und teilt diese dem Bevollmächtigten samt in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten mit. Dieser hat dann zu prüfen, ob die geschilderte Situation in der Patientenverfügung geregelt ist. Ist dies der Fall, hat er weiter zu prüfen, welche Anordnungen der Patient für einen solchen Fall getroffen hat. Diese Anordnung, beispielsweise das Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen, sofern keine vernünftige Aussicht auf Heilung besteht und nur auf eine Verlängerung des Leidens hinausläuft, teilt er dann dem behandelnden Arzt mit. Dieser wiederum hat anhand der Patientenverfügung und der gesamten im bekannten patientenrelevanten Umstände zu prüfen, ob die Schlussfolgerung des Bevollmächtigten zutreffend ist. Er hat nun zwei Entscheidungsalternativen: entweder ist der Auffassung, dass die Schlussfolgerung des Bevollmächtigten dem Willen des Patienten entspricht oder nicht. Teilt er die Auffassung des Bevollmächtigten, bedarf es nicht der Einschaltung des Betreuungsgerichts. Widerspricht er der Auffassung, muss das Betreuungsgericht entscheiden. In einer solchen Situation ist weder ein eigenmächtiges Handeln des Bevollmächtigten zur Durchsetzung des aus seiner Sicht gegebenen Patientenwillens rechtlich zulässig noch darf sich der behandelnde Arzt aus seiner Verantwortung stellen und beispielsweise eine Mitwirkung von vornherein ablehnen. Das Gesetz schreibt dieses „dialogische“ Verfahren vor. Der Bundesgerichtshof hat in Strafverfahren bereits deutlich gemacht, dass sich die Beteiligten an dieses Verfahren „sklavisch“ zu halten haben. In der Praxis ist immer wieder festzustellen, dass bei der Ärzteschaft diese gesetzlichen Vorgaben noch nicht richtig angekommen sind, vielfach besteht auch schlichtweg Unkenntnis hierüber. Vielleicht ist es auch einfach nur schwer nachzuvollziehen, dass das Gesetz für die Kündigung eines Mietverhältnisses eine richterliche Genehmigung vorschreibt, für die „Kündigung des Lebens“ aber nicht.

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