Pflichtteilsstrafklauseln

PFLICHTTEILSSTRAFKLAUSELN

Wenn Eheleute, die gemeinsamen Kinder haben, zusammen ein handschriftliches Testament errichten, so erfolgt dies regelmäßig als so genanntes „Berliner Testament“. Sie setzen sich gegenseitig, also den Längstlebenden von ihnen, zum Alleinerben ein. Nach dessen Tod wiederum sollen die gemeinsamen Kinder dessen Erben sein. Bei intakten Familienverhältnissen empfinden die meisten einen solchen Nachlassverteilungsplan als gerecht.
 
Hierbei wird erwartet, dass die Kinder, die beim ersten Erbfall nichts erhalten, weil sie aufgrund der Alleinerbschaft des längst lebenden Elternteils „enterbt“ sind, auf die Geltendmachung des ihnen an sich zustehenden gesetzlichen Pflichtteils verzichten. Verlangt aber ein Kind dennoch den Pflichtteil, stellt es sich besser als seine Geschwister, die den letzten Willen der Eltern akzeptiert haben. Es erhält nämlich den Pflichtteil nach dem zuerst verstorbenen Elternteil und seinen Erbanteil nach dem Tod des Längstlebenden. Um dies zu verhindern, könnte entweder dem Längstlebenden im Testament das Recht vorbehalten werden, die Schlusserbeeinsetzung der Kinder zu ändern, was aber meist nicht gewollt ist.
 
Oder aber - und dies ist häufig bei privatschriftlichen Testamenten der Fall - man bestraft das Kind, welches den Pflichtteil geltend macht, indem es auch beim Tod des Längstlebenden nur den Pflichtteil erhalten soll. Bei der Formulierung solcher Klauseln ist jedoch äußerste Vorsicht geboten. Dies belegt ein im November 2013 ergangener Beschluss des für den hiesigen Gerichtsbezirk zuständigen Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. In den dortigen Rechtsstreit ging es um ein Ehegattentestament, welche folgende Klausel enthielt:„ Derjenige, der mit diesen Testamentsbestimmungen nicht einverstanden ist, erhält nur den Pflichtteil unter Anrechnung dessen, was er bereits zu Lebzeiten von uns bekommen hat“. Eines der Kinder verklagte nach dem Tod des Vaters seine Mutter auf den Pflichtteil. Die Mutter verpflichtete sich im Rahmen eines Prozessvergleichs an die klagende Tochter 10.500 Euro zahlen. Nach Meinung der übrigen Geschwister hatte damit deren Schwester ihr Erbrecht nach der dann im Jahre 2013 verstorbenen Mutter aufgrund der vorgenannten Testamentsklausel verwirkt.
 
Anders aber das Oberlandesgericht Frankfurt am Main: dieses ist der Auffassung, die Schwester sei dennoch Erbin geworden, weil die von den Eltern verwendete Klausel zum einen überhaupt nicht greife, zum anderen viel zu unbestimmt sei. Es argumentiert, die Tochter sei doch gerade mit den Testamentsbestimmungen einverstanden gewesen, weil sie ihre Enterbung beim Tod des Vaters hingenommen, also beispielsweise nicht angefochten habe. Dies sei, so das Gericht, etwas anderes, als die Geltendmachung des Pflichtteils.
 
Für einen juristischen Laien ist eine solche, ausschließlich am Wortlaut klebende, spitzfindige Auslegung sicherlich nicht verständlich. Sie ist aber auch juristisch sehr zweifelhaft. Eine solche Klausel wird doch gerade zum Zwecke der Bestrafung desjenigen Kindes in ein Testament mit aufgenommen, welches sich gegen den Willen der Eltern auf lehnt. Eine stärkere Auflehnung als einen Prozess gegen die eigene Mutter anzustrengen, ist wohl kaum denkbar.
 
Allerdings zeigt diese Entscheidung, wie wichtig es ist, Verwirkungs - oder Pflichteilstrafklauseln exakt zu formulieren. Das Verhalten, welches die Bestrafung eines Kindes auslösen soll, muss genauestens beschrieben werden. Allgemeine Floskeln wie „sich nicht zufrieden geben“, „sich der Durchführung widersetzen“, „erhebliche Schwierigkeiten bereiten“ oder „den letzten Willen nicht achten“ sind auslegungsbedürftig und können im Einzelfall dazu führen, dass die gewollte Sanktion nicht greift. Pflichtteilsstrafklauseln können in verschiedener Intensität formuliert werden, je nachdem, ab welchem Grad des Fehlverhaltens das Erbrecht des Kindes entfallen soll. So kann angeordnet werden, dass bereits die Geltendmachung von Auskünften oder die Vorlage von Gutachten zur Vorbereitung eines Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Längstlebenden ausreichen soll.
 
Um die Eltern abzusichern und eine einvernehmliche Nachlassverteilung nach dem Längstlebenden zu gewährleisten, ist aus notarieller Sicht zu empfehlen, dass Eltern mit ihren Kindern bedingte Pflichtteilsverzichtsverträge schließen. Diese bedürfen der notariellen Beurkundung und stellen auch für die Kinder sicher, dass deren Verzicht nur dann greift, wenn sie tatsächlich auch Schlusserben werden.
 
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