Unfall- oder Katastrophenklauseln

UNFALL ODER KATASTROPHENKLAUSELN

Die zwischen dem 27. Juni und 4. Juli 2012 verstorbenen Eheleute, die keine gemeinsamen Kinder hatten, wurden am 4. Juli 2012 in ihrer Wohnung tot aufgefunden.

 

Nach den Ermittlungen der Polizei verstarb der Ehemann vor seiner Ehefrau. Diese war dement und konnte sich nach dem Tod des Ehemannes nicht mehr alleine versorgen.

 

Beide hatten 1983 ein eigenhändiges Ehegattentestament errichtet, welches auszugsweise wie folgt lautet:

 

„Für den Fall, dass ich vor meiner Frau sterbe, vererbe ich ihr meinen gesamten Nachlass. Für den Fall, dass meine Frau vor mir stirbt, erbe ich ihren gesamten Nachlass. Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt das auf meinem Sparkonto befindliche Geld meine Tochter. Das auf dem Konto meiner Frau befindliche Geld, sollen die Kinder meiner Frau zu gleichen Teilen bekommen.“

 

Die Tochter der Ehefrau beantragte beim Nachlassgericht, ihr zunächst einen Erbschein zu erteilen, wonach ihre Mutter Erbin ihres vorverstorbenen Stiefvaters geworden sei. Sodann solle ein weiterer Erbschein erteilt werden, der sie als Alleinerbin ihrer Mutter ausweise, denn ihr Bruder hatte die Erbschaft nach der Mutter ausgeschlagen. Das Nachlassgericht folgte diesen Anträgen.

 

Die Tochter des zuerst verstorbenen Ehemannes trat dem unter Hinweis auf die im Testament enthaltene „Unfallklausel“ entgegen.

 

Dem folgte aber das erstinstanzliche Nachlassgericht nicht. Von einem gleichzeitigen Tod könne in erbrechtlicher Hinsicht nur dann die Rede sein, wenn die untereinander erbberechtigten Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde, also zur selben Zeit, den Tod gefunden hätten. Im Übrigen liege kein Unfall vor. Deshalb sei die nachverstorbene Ehefrau nach gesetzlicher Erbfolge von ihrer Tochter allein beerbt worden, so dass die beantragten Erbscheine zu erteilen seien.

 

Gegen den entsprechenden Beschluss des Nachlassgerichts legte die Tochter des Ehemanns erfolgreich Beschwerde ein. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dem Oberlandesgericht Düsseldorf, hatte das Nachlassgericht die von den Eheleuten verwendete „Unfallklausel“ zu eng ausgelegt. Es müsse berücksichtigt werden, dass ein wirkliches gleichzeitiges Versterben, also im gleichen Bruchteil einer Sekunde, ein sehr seltenes Ereignis darstelle, das praktisch kaum vorkomme. Eheleute, die, wie hier, keinen Schlusserben im Testament bestimmen, also eine Person, die nach dem Tod des Längstlebenden dessen Erbe sein soll, wollen dem Längstlebenden die Freiheit lassen, einen solchen selbst noch zu bestimmen. Durch die Unfallklausel soll dem Fall vorgebeugt werden, dass dies aus rein praktischen Gründen dem Längstlebenden nicht mehr möglich ist. Damit werden vom Sinn und Zweck einer solchen Klausel auch Fälle erfasst, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es aufgrund ein und derselben Ursache, zum Beispiel eines Unfalls, sei es aufgrund verschiedener Ursachen, wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr hat, ein Testament zu errichten. Andernfalls hinge es, wie auch im vorliegenden Fall, vom Zufall der Reihenfolge des Versterbens ab, ob den gesetzlichen Erben des Ehemannes oder den gesetzlichen Erben der Ehefrau das gesamte Vermögen beider Eheleute zufließt. Dies ist in der Regel von Eheleuten ohne gemeinsame Kinder nicht gewollt.


Deshalb wird im Ergebnis der Ehemann von seiner Tochter und die Ehefrau von ihrer Tochter beerbt.


In der erbrechtlichen Praxis sind Streitigkeiten über die Wirksamkeit von privatschriftlich errichteten Testamenten nicht selten.


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