Ungenaue Bezeichnung der Erbquoten

UNGENAUE BEZEICHNUNG DER ERBQUOTEN

Gegenstand zahlreicher Erbstreitigkeiten vor Gerichten sind immer wieder privatschriftlich verfasste Testamente, die unklare Formulierungen enthalten.

 

Ihnen kann oftmals nicht ohne weiteres entnommen werden, ob jemand überhaupt als Erbe eingesetzt wurde und bei mehreren benannten Personen, zu welcher Quote diese am Nachlass beteiligt sein sollen.

 

Paradebeispiel ist das Auflisten und Verteilen seines Hab und Guts unter verschiedenen Personen im Testament, anstatt durch Erbeinsetzung klar festzulegen, wer in die „Fußstapfen“ des Erblassers treten soll, also insbesondere auch für die Verteilung des Nachlasses verantwortlich sein soll.

 

Das Oberlandesgericht Karlsruhe, welches für den hier angrenzenden nordbadischen Bereich als Beschwerdegericht zuständig ist, hatte im Februar 2011 über einen ähnlichen Fall zu entscheiden, der für sich betrachtet recht unspektakulär scheint. Er verdeutlicht jedoch sehr gut, dass bei auslegungsbedürftigen Testamenten die Gefahr besteht, dass an die Stelle des Willen des Erblassers, derjenige der zuständigen Richter tritt:

 

Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann errichteten 1987 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament. In diesem setzten sich die Eheleute zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten weiter, dass „vom Nachlass von uns beiden erstens ein bedeutender Betrag“ an einen Tierschutzverein, „zweitens ein großer Teil“ an eine gemeinnützige Vereinigung und „drittens ein Teil“ an eine weitere gemeinnützige Organisation „eventuell auch zum Kauf eines neuen Struppi-Wagen“, gehen sollte. Die Eigentumswohnung sollte verkauft werden und „das Inventar an bedürftige ordentliche Familien“ gehen. Der Nachlass bestand aus Geldvermögen in Höhe von 175 000 Euro und der Eigentumswohnung mit einem Wert von 120 000 Euro.

 

Beim Nachlassgericht beantragte eine der beiden Organisationen einen Erbschein, wonach alle drei genannten gemeinnützigen Vereinigungen zu Erben zu gleichen Teilen, also zu je 1/3 ausgewiesen werden.

 

Dem trat der Tierschutzverein entgegen und beantragte einen Erbschein, in welchem er als Miterbe zu 5/10, die beiden weiteren Organisationen zu 2/10 und 3/10 als Miterben bestimmt werden.

 

Dies lehnte jedoch das Nachlassgericht ab und gab dem Antrag auf Drittelung des Erbes statt.

 

Auf die Beschwerde des Tierschutzvereins änderte das Oberlandesgericht Karlsruhe die Entscheidung ab und setzte die Erbquote wie folgt fest:

 

Der im Testament erstgenannte Tierschutzverein („bedeutender Betrag“) zu 2/5, die zu erst genannte gemeinnützige Organisation („großer Teil“) zu 2/5 und schließlich die Zweitgenannte („ein Teil“) zu 1/5.

 

Das Gericht ist zunächst der Auffassung, dass aus den im Testament verwendeten Begriffen „ein großer Teil“ und „ein großer Betrag“ oder „ein bedeutender Betrag“ oder „ein bedeutender Teil“ keine wertmäßige Abstufung herausgelesen werden könne. Auch aus der Reihenfolge der Aufzählung der Erben („erstens, zweitens …“) könne keine Rangordnung zwischen dem erstgenannten Tierschutzverein und der zweitgenannten Organisation begründen. Deshalb hielt es das Gericht für sachgerecht „im Wege der ergänzenden Auslegung“, dem „Willen der Erblasser“ durch Festsetzung der vorgenannten Quoten „Geltung zu verschaffen“.

 

Ob hier wirklich dem Willen Geltung verschafft wurde, kann bezweifelt werden, zumal der Wunsch der Erblasser nach eventueller Anschaffung eines Struppi-Wagens wohl eher dafür spricht, dieser Organisation eine weitaus geringere Quote zuzusprechen. Weshalb überhaupt hier gefünftelt wurde, bleibt das Geheimnis des Gerichts, genauso gut hätte man sechsteln oder siebteln können.

 

Um solche Auslegungsschwierigleiten zu vermeiden, ist die Errichtung eines Testaments in notarieller Form dringend anzuraten. Dies zumal die Kosten eines Erbscheins, welcher bei gesetzlicher Erbfolge oder bei einem privatschriftlichen Testament notwendig sind, den Kosten der Beurkundung eines Testaments entsprechen.


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