Vorsicht bei Erbenbrief

VORSICHT BEI ERBENBRIEF

In der notariellen Praxis häuften sich Anfang 2014 Anfragen nach sogenannten „Erbenbriefen“. 

 

Da es sich hierbei um keinen bekannten Rechtsbegriff handelt, ergab eine Internet-Recherche, dass in einem im vorausgegangenen Jahr 2013 bundesweit veröffentlichten Artikel empfohlen wurde, einem Testament einen „Beibrief“ beizufügen, um zu erläutern, warum das Erbe nun so oder so verteilt wurden, denn das eigentliche Testament sei ein herzloses Dokument, was vielen Menschen widerstrebe. Es wird in fast allen diesen Beiträgen behauptet, dass die Ausführungen in einem solchen Erbenbrief „keine juristische Relevanz“, hätten. 

 

Eine solche Aussage ist jedoch in dieser Allgemeinheit nicht nur unrichtig, sondern für den Rechtssuchenden höchst gefährlich. Man öffnet nämlich mit der Nennung seiner Gründe, weshalb eine Zuwendung an eine bestimmte Person gemacht wird oder weshalb ein anderer nichts erhalten soll, Tür und Tor für eine Anfechtung des Testaments nach seinem Tode. Diesen Gründen können nämlich Fehlvorstellungen zu Grunde liegen, sei es über Umstände aus der Vergangenheit oder der Zukunft, also über Entwicklung künftiger Verhältnisse.

 

Folgende Beispiele sollen dies deutlich machen:

 

Der Erblasser nimmt zu Unrecht an, ein Streit mit einem seiner Kinder werde zukünftig nicht beigelegt werden. Er geht fälschlicherweise davon aus, dass bestimmte Vermögenswerte, die er im Testament verteilt hat, bei seinem Tode noch vorhanden sind oder er hat falsche Vorstellungen über die bisherige oder zukünftige Entwicklung der Ehe eines seiner Kinder. 

 

Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, wie in erbrechtlichen Auseinandersetzungen mit anwaltlicher Hilfe versucht wird, sich jede Äußerung des Erblassers für eine Anfechtung wegen Motivirrtums zu Nutze zu machen. Von juristischen Laien, sicherlich in guter Absicht niedergelegte, ausführliche Begründungen können hierfür ein wahre Fundgrube sein. Die Motive des Testaments müssen sich nämlich gerade nicht aus dem Testament selbst ergeben. Sogar mündliche Äußerungen können hierfür heran gezogen werden. Für das geltende Erbrecht steht die Durchsetzung des „wahren Willens“ des Erblassers nämlich an allererster Stelle. Deshalb sieht es vor, dass bei solchen Irrtümern, wie vorliegend geschildert, die Möglichkeit besteht, bei entsprechendem Nachweis das Testament innerhalb gewisser Fristen anzufechten und so die irrtumsbedingte Verfügung aus der Welt zu schaffen. Anfechtungsberechtigt ist derjenige, dem die Anfechtung zu Gute kommt. Dies wird meist die vom Erblasser übergangene Person sein.

 

Will man dies vermeiden, sollten Testamente knapp und ohne Angabe von Beweggründen abgefasst werden. Kommt es jemanden aber gerade darauf an, dass gewisse Erwartungen von dem im Testament Begünstigten erfüllt werden, dann sollte dessen Erbeinsetzung oder die Zuwendung ausdrücklich unter eine Bedingung gestellt werden.

 

Von der Errichtung eines „Erbenbriefes“ neben einem privatschriftlichen Testament ohne notarielle Beratung kann nur abgeraten werden.

 

Ohnehin ist die Erstellung eines notariellen Testaments vorzuziehen, zumal dieses einen Erbschein ersetzt und nicht mehr als dieser kostet. Dafür wird aber dem Erblasserwillen von vorne herein Geltung verschafft.


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