Ärztliche Zwangsbehandlung

ÄRZTLICHE ZWANGSBEHANDLUNG

Am 26. 2. 2013 ist eine wichtige Neuerung im Betreuungsrecht in Kraft getreten. Diese betrifft medizinische Zwangsmaßnahmen gegenüber Personen, die nicht mehr geschäftsfähig sind und deswegen entweder unter gerichtlich angeordneter Betreuung stehen oder aber für die ein Bevollmächtigter aufgrund einer Vorsorgevollmacht handelt. Sowohl Betreuer, wie auch Bevollmächtigter sind im Regelfall berechtigt, medizinischen Behandlungsmaßnahmen am Betroffenen an seiner Stelle zuzustimmen.


Eine ärztliche Behandlung, mag sie aus medizinischer Sicht noch so sinnvoll sein, ist nämlich grundsätzlich nur zulässig, wenn der Patient vorher seine Zustimmung erteilt. Etwas anderes gilt nur in Notsituationen, in denen der Arzt den Patient nicht befragen kann. Ansonsten hat ein jeder von uns ein durch das Grundgesetz geschütztes „Recht auf Krankheit“. Wie aber verfährt man mit einem Betroffenen, der zwar im Rechtssinne nicht mehr geschäftsfähig ist, seinen „natürlichen Willen“, nicht behandelt werden zu wollen, aber ganz klar zum Ausdruck bringt ? Kann man diesen einfach mit körperlicher Gewalt zu einer medizinisch notwendigen Behandlung zwingen ? Hierfür spricht einerseits, dass der Staat gegenüber seinen Bürgern eine Fürsorgepflicht hat.


Eine geschäftsunfähige Person ist ja gerade nicht in der Lage, das Für und Wider eines ärztlichen Eingriffs gegeneinander abzuwägen und so zu einer, wie auch immer gearteten Entscheidung zu kommen. Ihm fehlt hierfür die Erkenntnisfähigkeit. Anderseits handelt es bei der persönlichen Freiheit und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit um überragende Rechtsgüter, die Ausdruck der Menschenwürde sind. Deshalb darf der Staat nur mit besonderer Vorsicht Zwangsmaßnahmen gegen seine Bürger zulassen.


Diese bedürfen immer der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dies gilt im Übrigen für alle freiheitsentziehenden Maßnahmen, also insbesondere die Unterbringung in einer psychatrischen Einrichtung, aber auch Fixierungen im Krankenbett oder allein schon das Anbringen von Bettgittern. Weder Betreuer noch Bevollmächtigter können einfach solche Zwangsmaßnahmen vornehmen oder gegenüber dem behandelnden Arzt anordnen. Betreuungsbestellung und Vorsorgevollmacht allein reichen hierfür nicht. Auf diese staatliche Kontrolle kann auch im Voraus von niemandem verzichtet werden. Bislang gingen die Gerichte davon aus, dass das geltende Betreuungsrecht eine ausreichende Grundlage für medizinische Zwangsmaßnahmen beinhalte. Diese Praxis haben aber nunmehr der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.


Deshalb bedurfte es der eingangs genannten Neuregelung, die Zwangsbehandlungen nur bei geschlossener Unterbringung erlauben. Ambulante Zwangsbehandlungen sind nach wie vor nicht zulässig. Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ist dies wegen einer Gefahr für den Patienten zeitlich nicht möglich, ist die Genehmigung unverzüglich nachzuholen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Betreuer oder Bevollmächtigter trotz entgegenstehendem „natürlichen Willen“ des Betroffenen in die Behandlung einwilligen kann, ist detailliiert geregelt.


Wichtig und neu bei Vorsorgevollmachten ist, dass der Bevollmächtigte ausdrücklich schriftlich dazu ermächtigt sein muss, in solche Zwangsmaßnahmen einzuwilligen. Diese müssen ausdrücklich genannt werden. Bereits bestehende Vorsorgevollmachten sollten vorsorglich neu gefasst oder zumindest ergänzt werden. Dies kann bei einer privatschriftlichen Vollmacht durch unterzeichneten und mit Datum versehenen Randvermerk oder als Zusatz am Ende des Schriftstücks erfolgen. Die Kosten für eine nachträgliche Anpassung einer notariellen Vorsorgevollmacht belaufen sich auf rund 35 Euro.


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